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Deutsch

Darf er das?

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Dieser Text wurde verfasst von Florian Jansen im Deutschunterricht des Jahrgangs 11 in der Beschäftigung mit einem modernen Roman. Die Wahl fiel auf Patrick Süskinds "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders":

Ein bekanntes Sprichwort besagt „Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander". Ob sich der Autor des Romans "Das Parfum", Patrick Süskind, an jenem Sprichwort orientierte, ist eigl. auch gar nicht relevant. Er zeigt uns jedoch, wie mit genug Abstraktionsvermögen dieses Konzept ein in sich geschlossenes Werk der Kontroversen ergeben kann.
Es zeugt schon von außerordentlicher Kühnheit, ein Schriftstück zu veröffentlichen, in welchem die fundamentale Prämisse es ist, dass der Protagonist seine innere Ausstellung an Düften kultiviert und dabei auch vor weniger galanten Methoden, wie dem kaltblütigen Töten junger, unschuldiger Mädchen keinen Halt macht. Dementsprechend vielen auch die Rezensionen zu seinem Machwerk aus. Manche lobten den Autor für seine Wortakrobatik, Andere kritisierten die unkonventionelle und manchmal fast fantastische Handlung.
Doch am Ende blieben alle Leser des Buches mit einem Bild zurück, des gescheiterten und doch erfolgreichen, des wahnsinnigen und doch genialen Jean-Baptiste Grenouille. So möchte ich mich dem nun annehmen, was ist dieses literarische Produkt, Jean-Baptiste Grenouille, des Geistes eines einzigen Mannes, Patrick Süskind eigl.?

Um sich der Antwort dieser doch sehr offenen Frage ansatzweise zu nähern, müssen wir verstehen, dass Grenouille in erster Linie ein Künstler ist. Kunst ist im Grunde immer eine Bereicherung für unsere Sinnes Organe, ob diese nun positiv oder negativ ausfallen mag, liegt im Auge des Betrachters. Sei es durch die Farbkomposition eines Bildes, der harmonischen Melodie eines Liedes, oder eben der nasalen Befriedigung durch ein Parfum. Insbesondere in einer Zeit wie der des 18. Jahrhunderts, in welcher sich die Handlung zuträgt. Eine Zeit in der die Parfümerie einen Aufschwung in den oberen Schichten der sozialen Ständeordnung genießt. Diese These führt uns zu einer weiteren Frage, was ist gute Kunst? Eine reichlich narrenhafte Frage mag man denken. Doch die Antwort darauf entschlüsselt die Motive unseres Geruchs-Virtuosen. Denn für ihn ist gute Kunst den ultimativen Geruch zu finden, welcher aus den Düften der schönsten und reinsten Mädchen besteht, welche auf Gottes Erden wandeln. Es geht ihm also um die Perfektionierung seines Handwerks, viel mehr noch, wie sich später herausstellt, zu transzendieren, durch das Erreichen seines Zieles!
Doch was ist, wenn man wie Grenouille ein Meister seines Handwerks, ein Virtuose an den feinsten Instrumenten der nasalen Gelüste, ein fast mit Gottes Gnaden Geschickter Bote der geruchlichen Expertise ist? Kurzum, wie soll man sich perfektionieren, wenn man perfekt ist?

Es ist schon fast paradox, denn Grenouille schaffte es, wie wir wissen, es in der Tat sich selbst zu übertrumpfen und das "perfekte" Parfüme zu finden...Zumindest perfekt aus seiner Sichtweise. Denn Kunst ist an und für sich Geschmackssache. Man kann natürlich Zeichen und Mal Techniken perfektionieren, oder das Spielen eines Musikstückes. Aber abgesehen davon liegt es an uns was wir an Kunst und Kultur auffassen als positiv und negativ einordnen.
Doch die Kunst, welche Grenouille betreibt, wird durchweg positiv angenommen, dies wissen wir aus seinen Lehrjahren bei Baldini. Zumindest die Resultate werden mit tosendem Applaus angenommen...seine Taktiken eher weniger. Denn wie genau schafft man es Kunst interessant wirken zu lassen. Man kann den Zeitgeist treffen, man kann genau das Gegenteil des Zeitgeistes machen, oder man provoziert im Falle von Grenouille.
Was ist die größte Provokation, die man sich im Frankreich des 18. Jahrhunderts erlauben kann? Oder besser gesagt nicht erlauben kann? Welch höchste Tat, die nicht mit weltlichem Gut zu bezahlen ist, kann man begehen?! Blasphemie.
Grenouille, welcher sich selbst über die weltlichen Grenzen seines Daseins herübersetzt, welcher sich zum obersten Herrscher seines geistigen Imperiums kürt, welcher Gottes Hand spielt und dem kläglichen Leben einiger der schönsten Gestalten dieser Erde ein Ende bereitet. Dieser jemand ist blasphemisch in rein Form.
Grenouille ist ein in sich geschlossenes Kunstwerk mit dem Zwecke zu provozieren und kontrovers zu sein und es geht auf! Er wird gejagt, gehasst, verachtet, auch wenn er im Schatten der Anonymität durch den Schleier der Geruchslosigkeit agiert, so wird der anonyme Meuchler geächtet.
Und so wie er sein Kunstwerk begann, so endet es im lauten Klang der Himmelsposaunen. Er als gottesgleiches Wesen, zerfleischt von der so sehr gehassten Menschheit, welche niemals ihn hätte verstehen können und doch gleichermaßen geliebt und verehrt, einzig basierend auf dem Geruch. Er hat es geschafft, er hat sein Kunstwerk beendet. So provokant wie er es eingeläutet hat endet es…

Ganz platt betrachtet ist Grenouille nichts anderes als ein psycho- und soziopathischer Mörder. Doch wirft man einen Blick hinter diese offensichtliche These so ist er einer der erfolgreichsten Künstler, die es wohl jemals gab! Kein anderer wagte es so wie er sich über die Grenzen des damaligen guten Geschmackes hinwegzusetzen und nur aus reinem Trotz vor Gott ein Machwerk zu kreieren mit welchem er die gesamte Welt hätte unterjochen können.
Und auch wenn es lächerlich wirkt, so einen Mann als Künstler zu bezeichnen. Ein bekannter Künstler unserer Zeit, mit dem Namen Alligatoah, sagte auf einem seiner Musiktücke schon: „Das ist Kunst, das verstehst du nicht!“

Florian Jansen, 11c 

 

Ein Böser in einer bösartigen Gesellschaft?
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